10 Phase

OX war zum Kampf bereit. Er wußte jetzt, daß er unter der Beobachtung von Mustereinheiten stand, die ihm ähnelten, es jedoch ablehnten, mit ihm zu kommunizieren. Wären sie bloß da gewesen, ohne sich seiner bewußt zu sein, würden sie ihre normalen Ablegerab- strahlungen nicht unterdrückt haben. Und da er die seinen nicht unterdrückt hatte, mußten sie von ihm wissen. Er war sich seiner Diagnose demnach ganz sicher.

Seine Kampfschaltung, mühsam entwickelt, während er sein Gleichgewicht wiederhergestellt hatte, informierte ihn darüber, daß es Nichtüberleben bedeuten würde, wenn er den Außenmustern die Möglichkeit gab, Kenntnis von seinem Zustandswechsel zu bekommen. Er entwarf deshalb eine pseudofriedliche Schaltung, deren Zweck es war, die normale Abstrahlung trotz seiner internen Veränderungen aufrecht zu erhalten. Die beobachtenden Muster würden auf diese Weise keinen Anhaltspunkt über seine wahren Absichten gewinnen.

Es war auch wahrscheinlich, daß die Außenmuster die Bedeutung der Flecken nicht erkennen würden. Das war ein Aktivposten für ihn, denn die Flecken hatten sowohl als Elementstabilatoren als auch als Quellen externer Informationen ihre Nützlichkeit bereits unter Beweis gestellt. Tatsächlich verkörperten die Flecken seine stärkste potentielle Waffe. Er hatte festgestellt, daß sie, wie er, jüngsten Ursprungs waren. Sie, wie er, besaßen die Kraft des Wachstums und der gesteigerten Gewandtheit. Gemäß dem Gedächtnis des Ornet-Fleckens war der stabile Bab Mitglied eines Typs, der über ein höheres Potential verfügte als viele andere. Aber dieses Potential brauchte sehr viel Zeit und Konzentration, um sich zu entwickeln. OX beschloß, dieses Potential zu nutzen.

Jede Alternative war von ihren Nachbarn durch ihre Fortdauerphase getrennt. OX hatte dies durch das Studium der Elemente, die er aktivierte, verifiziert. Während die Pflanzen sie aufluden, reiften sie allmählich, und dieser Reifeprozeß entsprach einer Konstante innerhalb ihres individuellen Gefüges. Selbst ein Element, das viele Male aktiviert und wiederaufgeladen worden war, spiegelte noch immer seine Abstammung und sein Alter wider. Aber die äquivalenten Elemente benachbarter Alternativen unterschieden sich - ein Gefüge war immer neuer als das andere.

Da OX ein Muster ohne physische Kontinuität war, berührte ihn diese Unterschiedlichkeit der Alternativen nicht, abgesehen davon, daß sie die Elemente berührte. Im allgemeinen waren die älteren, etablierteren Elemente angenehmer. Neue neigten dazu, ihre Energie ungleichmäßig abzugeben, was ihn dazu veranlaßte, .vage Nichtüberlebensgedanken zu entwickeln.

Diese Unterschiedlichkeit konnte sich hingegen auf die Flecken auswirken, die fast völlig physisch waren. OX konnte sie von einem Gefüge zum anderen bringen, wobei er ihnen die Möglichkeit gab, sich aufgrund der Verschiebung der Umwelt in Beziehung zu dieser Umwelt zu verändern, so wie es geschehen war, als er sie in ein vorteilhafteres Habitat gebracht hatte. Er konnte auch, wie er herausfand, den Transfer modifizieren, so daß die Alternativen unverändert blieben, die Flecken sich jedoch veränderten. Er hatte dies getan, als Bab unter dem Messer der Maschine verblieb. Es war lediglich ein Aspekt des Übergangs: Ein physischer Unterschied zwischen Kreatur und Alternative mußte immer offenkundig sein.

Worauf alles hinauslief, war eine Methode, die Flecken zu altern. Wenn OX sie in diese Richtung bewegte, waren sie gezwungen, die Dauer auf sich zu nehmen, die sie hinter sich gebracht hätten, wenn sie immer dort gewesen wären. Dann bewegte er sie wieder zurück, wobei er sie diesmal unverändert ließ, während sich das Gefüge zu ändern schien. Es war ein künstlicher Prozeß, der die. Flecken von den unmanipulierten Gefügen jenseits der Enklave abschnitt - aber die waren ihm ja ohnehin versperrt.

Auf diese Weise brachte OX die Flecken in einem Bruchteil der Zeit von der Kindheit zur Reife, die sie normalerweise dazu gebraucht hätten. Natürlich erschien es ihnen so, als ob ihre volle Lebensspanne auf normale Art und Weise verstrichen sei. Nur OX wußte es besser. Aber er erklärte es ihnen und lieferte klare Beweise, die sie beobachten konnten, wie zum Beispiel das offensichtliche Wachstumsstocken des unveränderten Lebens ringsum, der immobilen Pflanzen. Nur jene Pflanzen, die sich innerhalb des Radius der Gefügereisen befanden, wuchsen im selben Verhältnis mit. Sie diskutierten dies alles mit zunehmender Bewußtheit und glaubten es schließlich.

Die kleine Maschine, die sich immer in der Nähe aufhielt, war ebenfalls in den Fortschrittsprozeß einbezogen. OX versuchte, sie zurückzulassen, aber mit unbeseelter Schläue war sie stets zur Stelle, wenn sie spürte, daß er die notwendigen komplexen Schaltungen entwickelte, und blieb innerhalb der Phase. Ursprünglich war sie gegen die Attacken der Flecken unempfindlich gewesen. Wären diese ohne sie fortgeschritten, würden sie sie auf irgendeine Weise losgeworden sein, entweder indem sie vollkommen außerhalb der Phase mit ihr gewesen oder indem sie groß und stark genug geworden wären, sie zu überwältigen. So jedoch mußten sie vor ihrer Tücke stets auf der Hut sein.

OX sorgte ebenfalls für Erziehungsableger, die die Erweiterung der Bewußtheit bei den Flecken vornahmen. Obwohl dies OX' vorhandene Schaltungen fast völlig in Anspruch nahm, hatte es keine große Wirkung auf Dec und Ornet. Sie schienen programmiert zu sein, sich auf ihre eigene Weise zu entwickeln, unabhängig von seinem Einfluß. Aber für Bab war es sehr produktiv. Ornets Mutmaßung hatte sich als richtig erwiesen: Bab verfügte über ein gewaltiges Potential, das in gewissen Beziehungen OX eigenem Konkurrenz machte. Wie das bei einem physischen Wesen möglich war, konnte OX nicht ganz begreifen. Er mußte annehmen, daß es bei Bab eine nichtphysische Komponente gab, die Rationalität tatsächlich möglich machte. In jedem Fall war Babs Intellekt beeinflußbar, und OX wurde für seine Bemühungen reichlich entschädigt.

OX beobachtete und leitete gemäß seiner Kampfnatur, als Dec groß und schnell wurde und fähig war, mit ein paar tödlichen Schlägen seines Schwanzanhängsels ein halbintelligentes Tier kampfunfähig zu machen, als er fähig war, komplexe Informationen effizient zu. empfangen und zu senden. Er war der Flecken, der sich physisch am schnellsten bewegte, nützlich für rein physische Beobachtungen und Kommunikationen.

Ornet diente dazu, Bab zu schützen und zu helfen. - aber Ornets Gedächtnis wurde klarer, als er wuchs, und lieferte viele außerordentliche Einsichten in bezug auf die Natur von Flecken und Gefügen, die OX eigene Weiterentwicklung beeinflußten. Ornet, wie begrenzt er auch physisch war, hatte ihn nichtsdestoweniger mit mehr Erfahrung versehen als jeder der anderen, OX selbst eingeschlossen. Dies war ein gewaltiger Aktivposten, wie eine Stabilisierungsschaltung, der ihn an potentiellen Fallgruben des Nicht-Überlebens vorbeiführte. OX beriet sich immer mit Ornet, bevor er eine bedeutsame Entscheidung traf.

Aber Bab war seine beste Investition. Er entwickelte sich aus einem immobilen Klumpen zu einer sich langsam bewegenden Einheit und schließlich zu einer Kreatur, die, was physische Fähigkeiten anging, nahe an Ornet herankam. Sein Intellekt wurde größer und größer. Bald begriff er Konzepte, die Dec und Ornet verblüfften. Dann, als er sich der Reife näherte, trat seine Verstandeskraft mit der von OX in eine Interaktion, die etwas ganz anderes war als ein Lehrer/SchülerVerhältnis. Er fing an Fragen zu stellen, die OX nicht beantworten konnte - und die OX wiederum zu noch größeren Kapazitäten zwangen.

Und was war mit der Killermaschine? Bab fragte einmal danach, nachdem sie sie vertrieben hatten. Glaubst du, daß sie so einsam werden kann wie wir? Hat sie nicht auch Bedürfnisse und Gefühle?

Allein die Vorstellung war absurd! Und doch mußte OX eine neue Schaltung aufbauen und einräumen, daß sie, ja, unter Maschinenbedingungen ebenfalls Bedürfnisse und Gefühle haben würde und sich vielleicht nach ihrer eigenen Art sehnte.

Oder vielleicht nach Weisheit irgendeiner Art - einschließlich der unsrigen? beharrte Bab. Könnte es nicht sein, daß sie, wenn sie versucht uns zu verzehren, tatsächlich einen intellektuellen Dialog sucht und sich dabei nicht bewußt ist, daß wir uns physisch nicht so integrieren, wie sie es tut?

OX mußte auch diese Möglichkeit einräumen. Trotzdem, machte er klar, bleibt sie ein tödlicher Feind für uns alle, weil wir uns nicht als mechanische Komponenten integrieren lassen. Wir können es uns niemals erlauben, in unserer Wachsamkeit nachzulassen.

Aber noch lange nach diesem Dialog fibrillierten seine Schaltungen bei dieser ungeheuerlichen Vorstellung. Eine Maschine, die intellektuellen Dialog suchte. Eine Maschine!